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Motivation

Bei unseren statistischen Berechnungen schätzen wir öfter als uns bewußt ist. So ``berechnen`` wir den Mittelwert von Zeitreihen und fassen diesen Stichprobenmittelwert als Mittelwert der zu untersuchenden Variable (Grundgesamtheit) auf. Man kann zeigen, daß dieses Momentenschätzverfahren in einem gewissen Sinn gut sein kann. Da es aber durchaus Fälle gibt, in denen es ganz extrem schlecht sein kann, sollte man sich bewußt machen, was man tut, wenn man berechnete Kenngrößen von Zeitreihen als Eigenschaften der zugrunde liegenden Variablen interpretiert. Dazu ein Beispiel: Um zu testen, ob ein Residuum weitere Information enthält, testet man es auf Gaußverteilung. Dazu paßt man zunächst eine Gaußverteilung an, indem man die Stichprobenvarianz und den Stichprobenmittelwert als Parameter der anzupassenden Gaußverteilung verwendet. In einem zweiten Schritt, testet man (z.B. mit dem $\chi^{2}$- oder dem Kolmogoroff-Smirnoff-Test) ob die angepaßte Gaußverteilung gut paßt. Wenn dem so ist, ist man fertig. Nun könnte aber eine andere ähnliche Verteilung auch gut passen. Das wäre nicht schlimm, wenn nicht verschiedene (auch offensichtlich ähnliche) Verteilungen auf ganz unterschiedlichen Modellvorstellungen beruhen könnten, die zu ganz unterschiedlichen Interpretationen Anlaß geben. So sehen z.B. die Ableitung der Fermi-Funktion (FV) und die Cauchy-Verteilung (CV) der Gauß-Verteilung (GV) sehr ähnlich. Während aber die Gauß-Verteilung aus der Summe vieler Zufallsvariablen resultiert (zentraler Grenzwertsatz) und damit als reines additives Rauschen angesehen werden kann, ist die Cauchy-Verteilung das Verhältnis aus zwei Gauß-verteilten Variablen. Der Unterschied wird darin deutlich, daß der Mittelwert einer Realisation einer (normierten) Gauß-verteilten Variable gegen den Mittelwert der Grundgesamtheit der Variablen (und der ist 0) konvergiert, während der Mittelwert einer Cauchy-verteilten Variablen divergiert, d.h. mit zunehmender Stichprobenlänge immer größer wird. Der Erwartungswert der Cauchy-Verteilung ist unendlich. Die Fermi-Verteilung, die der Gauß-Verteilung sehr ähnlich sieht, hat den Vorteil, daß sie analytisch integrierbar ist. Durch diese Eigenschaft ist sie für viele praktische Anwendungen der Gauß-Verteilung überlegen. Als Fazit dieser Ausführungen bleibt festzuhalten, daß es sich lohnt, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie man Parameter und damit Modellvorstellungen schätzt.
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ich 2000-01-24