next up previous contents
Nächste Seite: Langes Gedächtnis Aufwärts: Prozesse mit langem Gedächtnis Vorherige Seite: Einführung   Inhalt

Brownsche Bewegung und AR(1)-Prozess

Die einfachste aus der Physik bekannte mathematische Formulierung der eindimensionalen Brownschen Bewegung ist
\begin{displaymath}
Y_{t} = Y_{t-1} +\varepsilon_{t}.
\end{displaymath} (2)

Dies bedeutet, daß sich der Ort $Y$ eines Brownschen Wanderers entlang einer Linie vom Zeitschritt $t-1$ zum Zeitschritt $t$ um eine Zufallsgröße $\varepsilon_{t}$ ändert. Dieser Prozeß, der, um Abweichungen von ihm charakterisieren zu können, in Abschnitt 6.3 noch genauer definiert wird, ist der bekannteste Vertreter eines Zufallsprozesses mit langem Gedächtnis. Man erkennt das lange Gedächtnis, wenn man zwei bis auf den Anfangswert gleiche Brownsche Wanderer vergleicht. Davon starte der eine bei $Y_{1,0}$ und der andere bei $Y_{2,0}=Y_{1,0}+\Delta$. Wenn dann beide Wanderer der gleichen Folge von Zufallsschritten $\varepsilon$ ausgesetzt sind, wird dieser Abstand zwischen ihnen genau gleich bleiben. Er wird nie vergessen. Betrachtet man nun $\Delta$ als eine Störung, die einen Brownschen Prozeß zu einem bestimmten Zeitpunkt aus seinem Zustand um $\Delta$ verschoben hat, so wird diese Störung vom Brownschen Prozeß für alle Zukunft beibehalten. Umgangssprachlich kann man sich den Brownschen Wanderer (die Größe $Y_{t}$) als völlig willenlos den äußeren (An-) Stößen $\varepsilon_{t}$ ausgesetzt vorstellen. Damit kann er als Grenzfall des AR(1)-Prozesses aufgefaßt werden, für den gilt
\begin{displaymath}
Y_{t} =\alpha_{1}\, Y_{t-1} +\varepsilon_{t}
\end{displaymath} (3)

mit $-1<\alpha_{1}<1$. Dieser (man könnte meinen sehr ähnliche) Prozeß hat kein langes Gedächtnis, denn von einer anfänglichen Störung $\Delta_{0}$ wird zu einem späteren Zeitpunkt nur noch der Anteil $\vert\Delta_{t}\vert=\Delta_{0}\,\alpha_{1}^{t-t_{0}}$ übrigbleiben. Diese beiden Beispiele sollen verdeutlichen, wie ähnlich zwei Prozesse formell aussehen können, die sich in ihrem Langzeitverhalten grundsätzlich unterscheiden. Genau diese Eigenschaft führt dazu, daß man eine Zeitreihe sehr genau analysieren muß, um Anhaltspunkte über die Art des sie erzeugenden Prozesses zu erhalten. Im nächsten Abschnitt wird eine Definition für ein langes Gedächtnis gegeben, die zumindest für stationäre Prozesse anwendbar ist.
next up previous contents
Nächste Seite: Langes Gedächtnis Aufwärts: Prozesse mit langem Gedächtnis Vorherige Seite: Einführung   Inhalt
ich 2000-01-25