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Allgemeine Formulierung

Falls die Ereigniswahrscheinlichkeitsdichte $f(t)$ keine Konstante ist, bekommt die Zeit eine explizite Bedeutung. Man kann zwischen stetigen und unstetigen $f(t)$ unterscheiden. Für stetige $f(t)$ können theoretisch immer alle Fragen, die für den Poisson-Prozeß lösbar sind, auch gelöst werden. In der Praxis kann das sehr aufwendig sein, so daß man numerische Näherungen bevorzugen könnte. Hier sollen nun allgemeine Ausdrücke für die Wahrscheinlichkeit $k$ Ereignisse im Intervall $t_{0}$ bis $t_{1}$ und für die Wartezeit auf das nächste Ereignis formuliert werden. In den Abschnitten 2.2.2 bis 2.2.4 werden dann Spezialfälle besprochen. Um die Wahrscheinlichkeit zu finden, daß $k$ Ereignisse im Intervall von $t_{0}$ bis $t_{1}$ stattfinden, benötigen wir wieder die Lösungen der Mastergleichung, deren allgemeine Formulierung gegeben ist durch
\begin{displaymath}
\frac{d\,p_{k}}{d\,t} =\left\{
\begin{array}{ll}
- f(t)\,...
..._{k-1} - f(t)\, p_{k} & \mbox{, sonst.}
\end{array}\right.
\end{displaymath} (2.17)

Für stetige $f(t)$ hat dieses Differentialgleichungssystem immer eindeutige Lösungen. Die allgemeinen Lösungen der inhomogenen Gleichungen folgen als Summe aus deren allgemeinen homogenen Lösungen und jeweils einer speziellen inhomogenen Lösung, die durch Variation der Konstanten aus den jeweiligen allgemeinen Lösungen der homogenen Gleichungen gefunden werden können. Das bedeutet, daß man im obigen Fall zunächst die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung für $p_{0}$
\begin{displaymath}
p_{0}(t)=\exp(C_{0}) \cdot \exp\left(-\int f(t) \,dt\right) = \exp(C)\cdot \exp(-F(t)).
\end{displaymath} (2.18)

angibt und die Anfangsbedingung
\begin{displaymath}
\lim\limits_{t\to 0} p_{0}(t)=1
\end{displaymath} (2.19)

einflechtet. Diese Anfangsbedingung bedeutet, daß die Wahrscheinlichkeit, kein Ereignis im Intervall von 0 bis $t$ vorzufinden gegen 1 geht, wenn die Intervallänge gegen 0 geht. Dann ist $C_{0}=F(0)$ und es folgt die Lösung der homogenen Differentialgleichung unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen zu
\begin{displaymath}
p_{0}(t)=\exp\left(F(0)-F(t)\right).
\end{displaymath} (2.20)

Für $p_{1}(t)$ gilt dann nach Gleichung (2.17) die inhomogene Differentialgleichung
\begin{displaymath}
\frac{d\,p_{1}(t)}{d\,t} = - f(t)\, p_{1}(t) + f(t)\, p_{0}(t).
\end{displaymath} (2.21)

Dabei ist der zweite Term auf der rechten Seite der inhomogene Anteil der DGL. An dieser Stelle muß die Lösung der DGL für $p_{0}$ eingesetzt werden. Die allgemeine Lösung des homogenen Anteils von Gleichung (2.21) ist analog zu Gleichung (2.20) gegeben durch
\begin{displaymath}
p_{1}(t)= C_{1} \cdot \exp\left(\int f(t) \,dt\right).
\end{displaymath} (2.22)

Aus der Variation der Konstanten (d.h. setze Gleichung (2.22) mit dem Ansatz $C_{1}=C_{1}(t)$ in die inhomogene Differentialgleichung ein) folgt dann die Differentialgleichung für $C_{1}(t)$
\begin{displaymath}
\frac{d\,C_{1}(t)}{d\,t} = f(t)\,p_{0}(t)\,\exp\left(-\int f(t) \,dt\right).
\end{displaymath} (2.23)

Daraus ist $C_{1}(t)$ durch Integration bestimmbar. Es ist leicht einsichtig, daß das Lösungsverfahren sehr langatmig und für große $k$ auch sehr aufwendig werden kann, denn zur Lösung der $k$-ten DGL muß die Lösung der $k-1$-ten DGL bekannt sein und als inhomogener Term eingesetzt werden. Deshalb werden solche Probleme gerne mit Hilfe von Markov-Ketten gelöst. Einfacher ist die Frage nach der Wartezeitverteilung, d.h. nach der Wahrscheinlichkeit, das man wenn man ab dem Zeitpunkt $t_{0}$ wartet, bis $t_{0}+\Theta$ warten muß, bis das erste Ereignis stattfindet. Dazu darf erstens im Zeitintervall $t_{0}$ bis $t_{0}+\Theta$ kein Ereignis stattfinden, während zweitens im Intervall $t_{0}+\Theta$ bis $t_{0}+\Theta+d\Theta$ ein Ereignis stattfinden muß. Die Wartezeitwahrscheinlichkeitsdichte $g(t_{0},\Theta)\,d\Theta$ ist dann das Produkt der Wahrscheinlichkeit, daß zwischen $t_{0}$ und $t_{0}+\Theta$ kein Ereignis stattfindet $(p_{0}(t_{0},t_{0}+\Theta)$ aus Gleichung (2.20)) mit der Wahrscheinlichkeitsdichte dafür, daß zwischen $t_{0}+\Theta$ und $t_{0}+\Theta+d\Theta$ ein Ereignis stattfindet ( $f(t_{0}+\Theta)\,d\Theta$). Damit gilt für die Wartezeitverteilungsdichte
\begin{displaymath}
g(t_{0},\Theta) d\Theta = \exp\left(F(t_{0})-F(t_{0}+\Theta)\right) \times
f(t_{0}+\Theta) \,d\Theta.
\end{displaymath} (2.24)

Ein Vergleich von Gleichung (2.24) und den Gleichungen (2.22) und (2.23) zeigt, daß die Wartezeitverteilung eine wesentlich einfacher zugängliche Größe ist, als die Wahrscheinlichkeitsverteilung für beliebige $k$ Ereignisse im Zeitraum von $t_{0}$ bis $t_{1}$. Die Wahrscheinlichkeit, daß man, wenn man ab dem Zeitpunkt $t_{0}$ auf ein Ereignis wartet, höchstens die Zeit $T$ warten muß, folgt dann zu
\begin{displaymath}
p_{g}(\Theta\le T) = \int\limits_{t_{0}}^{t_{0}+T} g(t_{0},\Theta) d\Theta.
\end{displaymath} (2.25)

Diese Größe wird in der Extremwertstatistik Risiko genannt. Sie gibt an, wie groß das Risiko ist, in der ab $t_{0}$ folgenden Zeitspanne $T$ ein Ereignis zu haben. $1-p_{g}(\Theta\le T)$ ist dann die Wahrscheinlichkeit dafür, daß man mindestens so lange warten muß. In den folgenden Abschnitten werden einige einfache aber nützliche Beispiele explizit besprochen.
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ich 2000-01-24